Antike Stühle - Stuhlarten und Klassiker

Antike Stühle erfreuen sich nicht nur bei Sammlern von Antiquitäten größter Beliebtheit.
Viele Liebhaber schöner Möbel werten ihre Einrichtung ganz gezielt auf, indem sie zum Beispiel antike Esszimmerstühle mit modernen Einrichtungselementen kombinieren. Dabei ist erlaubt, was gefällt: schicke Salonstühle, eindrucksvolle Empfangshallenstühle oder auffällige Gondelstühle. Es gibt viele Möglichkeiten, antik und modern harmonisch zu kombinieren. Und dank ihrer Vielfalt und einem unglaublichen Facettenreichtum finden antike Stühle bei Sammlern und Möbelliebhabern immer mehr Anhänger.

Wer auf seiner Suche alte Stühle findet, der hat viele Möglichkeiten: Natürlich können Sie gezielt antike Stühle kaufen, die zu Ihrem Einrichtungsstil und Ihren ganz persönlichen Vorstellungen passen. Handwerklich begabte Freunde von Antikmöbeln sind jedoch im Vorteil: Wer selbst alte Stühle aufarbeiten kann, hat neben dem attraktiven Ergebnis auch noch ein faszinierendes Hobby gefunden. Dazu kommt, dass unrestaurierte alte Stühle günstig zu haben sind, während für aufwendig aufgearbeitete Schätzchen sehr hohe Preise verlangt werden können.

Alt ist nicht gleich antik


Eine Frage, die gerade Laien häufig stellen, lautet: Ist jeder Stuhl automatisch auch eine Antiquität, nur weil er alt ist? Die Antwort lautet Nein: Damit ein alter Stuhl auch eine Antiquität ist, muss er bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Aber ab wann ist ein Stuhl antik? Wer sich für antike Stühle interessiert, muss auf einige wichtige Voraussetzungen achten.

Als Antiquität werden grundsätzlich sammelnswerte Gegenstände bezeichnet, die je nach ihrer Stilrichtung mindestens 100 Jahre alt sind. Nur in Ausnahmefällen, wie zum Beispiel bei herausragenden Einzelstücken wichtiger Designer, wird das Mindestalter für antike Stühle auf ungefähr 50 Jahre gesenkt. Ein wichtiges Stichwort in diesem Zusammenhang ist "Sammelnswert" - damit es sich lohnt, alte Stühle aufzubewahren, sollten sie nicht nur alt, sondern auch selten sein.

Der Zustand ist ein weiteres wichtiges Kriterium: Manche antike Stühle können durch eine unsachgemäße Aufarbeitung oder die Verwendung falscher Materialien ihren ursprünglichen Wert schnell verlieren. Erhaltenswerte Antik Stühle sind deswegen auch immer Stühle, deren ursprüngliche Eigenschaften bis in die heutige Zeit erhalten geblieben sind. Das betrifft sowohl die verwendeten Materialien als auch die Oberflächenbehandlung - je mehr in späteren Zeiten am Originalzustand verändert wurde, desto weniger erhaltens- und damit sammelnswert ist dieser Stuhl.

Wertmindernde Mängel bei antiken Stühlen sind unter anderem:


- Verwendung verschiedenartiger Hölzer
- Schädlingsbefall (Pilze, Hausbock, Holzwurm)
- Fehlende, verzogene oder gerissene Holzteile
- Gelöste Verbindungen
- Unsachgemäßes Überstreichen durch die falsche Farbe
- Verschleißspuren wie z. B. brüchiges Geflecht
- Beschädigungen (Brandspuren, Löcher ect.)
- unsachgemäße Leim-, Schleif- oder Abbeizarbeiten
- unpassende Neuteile

Bevor Sie alte Stühle kaufen, sollten Sie sich also den Zustand und die Qualität einer eventuellen Restaurierung genau ansehen. Übrigens: Ob Stühle antik sind oder nur gefälscht, das kann häufig nur ein echter Kenner unterscheiden. Holen Sie sich also gegebenenfalls eine fachmännische Expertise ein, bevor Sie viel Geld für einen vermeintlichen Antik Stuhl ausgeben.

Die Entwicklung des Stuhls

 

Wozu Stühle?


Lange Zeit kommen die Menschen fast ganz ohne Stühle aus: Sie sitzen oder hocken auf dem Boden und umgefallenen Baumstämmen. Ist es kalt, werden kurzerhand Tierfelle, geknüpfte Teppiche und gewebte Decken untergelegt. Das Sitzen auf einem Stuhl ist hochgestellten Persönlichkeiten vorbehalten: Ägyptische Pharaonen, chinesische Kaiser oder orientalische Könige verfügen schon in sehr alten Darstellungen über Sitzmöbel in Form eines hölzernen oder steinernen Throns.

Vom Schemel zum Brettstuhl


Eines der ältesten gemeinen Sitzmöbel überhaupt ist der hölzerne Schemel. Seine Beine sind einfach in die Sitzfläche eingezapft. Ist der Schemel mit einer Rückenlehne versehen, wird er übrigens als Stabelle bezeichnet. Diese hölzernen Brettstühle bleiben über Jahrhunderte hinweg aktuell. Bei einer unveränderten Grundform machen die Lehnbretter eine komplexe ornamentale Entwicklung durch. Dabei leben die handwerklichen Traditionen von Spätgotik und Renaissance im 19. Jahrhundert wieder auf. Übrigens: Die sehr beliebten antiken Bauernstühle sind ebenfalls Brettstühle.

Die ersten Faltstühle entstehen


Ebenfalls recht früh werden Klapp- oder Scherenstühle verwendet: Sie sind transportabel und somit extrem praktisch. Diese Stuhlform ist bereits im alten Ägypten und bei den Römern sehr verbreitet und kommt zu Zeiten des Historismus im 19. Jahrhundert wieder in Mode. Der Scherenstuhl besteht aus schmalen, nebeneinander angeordneten Sprossen oder Stützen, die am Fußende in einer Kufe stecken. Beim Auseinanderklappen spannt sich die Sitzfläche, die häufig aus Leder besteht.

Weit verbreitet: der Zargenstuhl


Eine ebenfalls sehr verbreitete Stuhlform sind die Zargenstühle, die auch als Rahmenstühle oder als Seitenrahmenstühle bezeichnet werden. Antike Stühle dieser Bauart bestehen aus einem Gestellrahmen, an dessen Ecken die Beine befestigt sind. Die Sitzfläche ist bis in das 17. Jahrhundert hinein aus massivem Holz, geflochten oder auch mit Gurten bespannt, auf denen Kissen liegen. Aus dieser Stuhlform entwickelt sich schließlich der Polsterstuhl, der vor allem im 18. Jahrhundert große Erfolge feiert. Gepolsterte antike Stühle mit Armlehne aus dieser Zeit werden übrigens auch als Fauteuil bezeichnet. Eine weitere Variante ist der Ohrenstuhl, der über eine seitlich vorgezogene Rückenlehne und eine gepolsterte Rundung in Kopfhöhe verfügt.

Ein britischer Klassiker: der Windsor Stuhl


Ein englischer Stuhltyp, der seit dem 17. Jahrhundert gebräuchlich ist, ist der Windsor Stuhl. Sein Vorteil ist, dass zu seiner Herstellung relativ wenig Holz benötigt wird, was den Stuhl preiswert macht. Seine Rückenlehne besteht aus dünnen, manchmal auch gedrechselten Streben. Ebenso wie die oftmals vorhandenen Armlehnen sind diese Stäbe in die Sitzfläche eingelassen. Stabilität gewinnen Windsor Stühle durch vier schräg eingesetzte Stuhlbeine, die durch drei Querstreben zusätzlich verfestigt werden.

Seit dem späten 18. Jahrhundert ist diese Stuhlvariante eher der rustikalen Möbelgattung im ländlichen Bereich zuzuordnen. Manchmal wird bei dieser Stuhlart eine der Armlehnen verbreitert, um als praktische Schreibunterlage zu dienen - diese Variante ist als Writing Windsor bekannt. Im 19. Jahrhundert entstehen aus dem klassischen Windsor Stuhl erste antike Schaukelstühle.

Michael Thonet und sein Bugholzstuhl


Eine kleine Revolution im Bereich des Stuhlbaus löst der deutsche Tischlermeister Michael Thonet aus: Er erfindet um 1830 eine Technik, mit der er gedämpftes Holz in neue Formen bringen kann. Das Holz, zumeist Buche, wird im Wasserdampf über einer Stahlform gebogen und behält nach dem Erkalten diese neue Form bei. Dabei verliert es weder an Elastizität noch an Festigkeit. Konsequent entwickelt Thonet seine Bugholztechnik so weit, dass er nicht nur schichtverleimtes, sondern auch massives Holz in mehrere Richtungen bieten kann. Thonet ist ein Wegebereiter der seriellen Produktion von Standard-Möbeln: Die geschwungenen und abgerundeten Thonet-Stühle werden heute als erste historische Industriedesign-Möbel angesehen.

Bugholzstühle werden auch als Wiener Sessel bezeichnet. Sie sind noch immer als typische Wiener Kaffeehausstühle in Verwendung. Genauer gesagt handelt es sich dabei um Stuhl Nr. 4, dessen Rückenlehne aus nur einem einzigen Stück gebogen wird. Thonets Weltruhm begründet aber Stuhl Nr. 14, der auch als meistproduziertes Sitzmöbel der Welt gilt. Dieses Modell wurde allein bis 1930 unglaubliche 50 Millionen mal verkauft. Der große Erfolg von Stuhl Nr. 14 hat Gründe: Funktionalität, Formschönheit und Haltbarkeit bei höchster Materialersparnis und Erschwinglichkeit. Er besteht lediglich aus sechs hölzernen Teilen, zehn Schrauben und zwei Muttern. Durch seine perfektionistische Reduzierung von Form und Material gelingt es Thonet, den Fertigungsaufwand auf ein absolutes Minium zu reduzieren. Kein Wunder, dass Thonet bis heute als absoluter Pionier des Möbeldesigns gilt.

Historische Stühle im Museum betrachten


Ob antike Stühle Gründerzeit, Biedermeier oder Barock zuzuordnen sind, lässt sich anhand verschiedener Stilelemente feststellen: Jede Zeit hat ganz eigenen Vorlieben. Doch es gibt auch Klassiker, die immer wieder aufs Neue modern werden. Wer diese vielen Stuhlvarianten einmal mit eigenen Augen betrachten möchte und sich für die Herstellung von Stühlen interessiert, der sollte ein Stuhlmuseum besuchen.

Deutsches Stuhlmuseum Eimbeckhausen


Das Deutsche Stuhlmuseum ist in einer ehemaligen Stuhlfabrik untergebracht und zeigt sehr anschaulich, wie der Stuhl den Menschen durch sämtliche Epochen begleitet. Die Sammlung umfasst mehr als 1500 Stühle der unterschiedlichsten Stilrichtungen. Sie erfahren, mit welchen Mitteln Handwerker vor über 100 Jahren einzigartige Sitzmöbel geschaffen haben und können wechselnde Sonderausstellungen rund um das Thema Stuhl genießen. Lernen Sie viel über frühe Stuhlbautechniken, das Polstern und natürlich auch das Flechten von Stuhlsitzen und Lehnen. Mehr Informationen erhalten Sie hier.

Deutsches Stuhlbaumuseum Rabenau - Sachsen


Im Vorwerk einer ehemaligen Burganlage gelegen, zeugt das Stuhlbaumuseum von den uralten Handwerkskünsten, die in Rabenau seit bald 4.000 Jahren gepflegt werden. Die älteste Stuhlbauerstadt Deutschlands präsentiert hier stolz eine Vielfalt an historischen Werkzeugen, Holzbearbeitungsmaschinen und antiken Stühlen, wie sie ganz sicher einmalig ist. Die Exponate wurden seit Ende des 19. Jahrhunderts zusammengetragen. Highlights der Sammlung sind wertvolle Originale aus Biedermeier, Barock, Gründerzeit und Jugendstil. Auch einige Rabenauer Thonetstühle gibt es hier zu bewundern. Wer Lust auf abwechslungsreiche antike Stühle hat, findet hier alle notwendigen Informationen für einen Ausflug.

Die zeitliche Einordnung der Möbelstile


Um zu entscheiden, ob ein Stuhl Gründerzeit, Historismus oder Renaissance zuzuordnen ist, sind die Stilelemente der jeweiligen Epoche entscheiden. Einen Anhalt kann aber auch das Alter des Stuhls geben, denn so manches Stilelement wurde von einer späteren Epoche beigeistert wieder aufgegriffen. Hier ein kleiner Überblick über die einzelnen Epochen europäischer Möbelstile:

Zeitraum Stilepoche außerdem vertreten
1000 - 1250 Romanik  
1150 - 1500 Gotik  
1500 - 1650 Renaissance  
1600 - 1750 Barock Queen Anne Style (171 - 1714
1720 - 1770 Rokoko Chippendale (1750 - 1805)
1750 - 1830 Klassizismus Empire (1806 -1815), Recency ( 1790 - 1830)
1815 - 1848 Biedermeier  
1850 - 1910 Historismus Gründerzeit, Second Empire (bis 1870)
1890 - 1920 Jugendstil  
1920 - 1940 Art Deco  

 

Stuhlarten am Lehnbrett erkennen


So mancher Stuhl hat ein eindrucksvoll geformtes Lehnbrett oder eine besonders ausgeformte Lehne. Wir möchten hier einige kurz vorstellen:

Schaufelstühle erkennen Sie auf den ersten Blick an der typischen Schaufelform der Lehne. Hat er zusätzlich eine mittig heruntergezogene Zunge, wird er auch als Zungenstuhl bezeichnet. Diese Stuhlform ist typisch für Biedermeier Stühle. Wurde dem Abschlussbrett eine charakteristische Ochsenkopfform verliehen, wird er konsequenterweise auch Ochsenkopfstuhl genannt.

Hochlehnstühle verfügen über eine auffällig hohe, gerade Lehne und werden in früherer Zeit oft als Hallenstühle genutzt. Sie kommen im 18. Jahrhundert auf und werden häufig in sehr großen Stückzahlen gefertigt. In Fluren, Vorzimmern und Hallen von hochherrschaftlichen Häusern dienen sie als Wartestühle.

Palmettenstühle sind nach einem Schmuckmotiv benannt, das sowohl in der Romanik und der Renaissance als auch in Klassizismus und Historismus Verwendung fand. Diese symmetrische Abstraktion eines Fächerpalmenblatts ist bereits seit der Antike ein beliebtes florales Ornament, das so manches Lehnbrett ziert.

Eine alte Kunst - der Stuhl mit Geflecht


Das Flechten der Sitz- und Rückenflächen antiker Stühle war früher ein verbreitetes Handwerk, das heute nur noch selten ausgeübt wird. Der bekannteste Stuhl mit Geflecht ist heutzutage sicherlich der Thonet-Stuhl, nach dem auch die beliebteste Geflechtart benannt wurde: das Wiener Geflecht. Doch geflochtene Stuhlsitze haben eine viel längere Tradition - sie gehen zurück bis ins Alte Ägypten.

Auch viele Gründerzeitstühle waren ursprünglich mit Geflecht versehen. Doch so widerstandsfähig das Ausgangsmaterial - Rohr, Binsen oder auch Weide - auch ist: Irgendwann wird es trocken und spröde und es beginnt zu brechen. Leider wurde in vergangener Zeit das defekte Flechtwerk bei vielen antiken Stühlen durch eine hölzerne Sitzfläche oder Lehne ersetzt. Das muss nicht sein: Noch heute gibt es Flechtereien, die ihre Kunst gerne in den Dienst der Restaurierung antiker Stühle stellen. Und mit einer Auswahl unter mehr als zehn gängigen Geflechtarten erhält jeder antike Stuhl schnell seinen ganz eigenen Charme zurück.